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Heute gibt es den zweiten Teil des Gastbeitrags “Brexit-The year after”. Autoren sind die beiden Patent- und Markenanwälte Dr. Benjamin Grau und Julia Harrasz.
Den ersten Teil des Beitrags finden Sie hier.
Unionsmarken/ Gemeinschaftsgeschmacksmuster/Gemeinschaftlicher Sortenschutz
Sowohl die Unionsmarken, als auch das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und der Gemeinschaftlicher Sortenschutz sind gewerbliche Schutzrechte der EU und werden mit dem Austritt aus der EU für Großbritannien ihre Wirkung verlieren.
Es ist wahrscheinlich, dass die Austrittsverhandlungen zu Regelungen führen werden, durch die der bestehende Schutz für Großbritannien nach dem Austritt beibehalten werden kann. Wie diese Regelungen am Ende aussehen werden, ist allerdings unklar.
Die Bandbreite der Möglichkeiten geht hier von einem bilateralen Übereinkommen zur Erstreckung der Unionsrechte auf Großbritannien, also die Schaffung nicht auf die EU begrenzter „europäischen Rechte“, bis zur unilateralen Einscheidung einer Umwandlung der Unionsrechte in entsprechende nationale britische Anmeldungen, mit entsprechendem Verfahren bis zur Eintragung.
Neben der Überführung existierender EU-Rechte in entsprechenden nationale britische Rechte, werden auch Lösungen für die vor den europäischen Ämtern anhängigen Verfahren gefunden werden.
Wesentliche Unterschiede sind hier sicher die Kosten und die Rechtsicherheit. Wie diese Regelungen am Ende aussehen werden, ist bislang allerdings unklar.
(Quelle: Chartered Institute of Trade Mark Attorneys (CITMA), 2017)
Einige besondere Veränderungen ergeben sich durch den Brexit im Kontext der Unionsmarken, sofern keine entsprechenden Verträge geschlossen oder Gesetzesänderungen vorgenommen werden:
- Ein Widerspruch gegen eine Unionsmarke kann nach erfolgtem Austritt nicht mehr auf eine nationale britische Marke gestützt werden;
- Britische Anmelder ohne Sitz in einen EU-Mitgliedstaat können Unionsmarken nicht als Basismarken für Internationale Registrierungen nutzen;
- Benutzung einer Unionsmarke in Großbritannien ist fortan keine rechtserhaltende Benutzung der Unionsmarke.
Ergänzende Schutzzertifikate
Ähnlich wie die oben genannten Schutzrechte (Unionsmarke, Gemeinschaftsgeschmacksmuster und Gemeinschaftlicher Sortenschutz) basiert das Ergänzende Schutzzertifikat (SPC) auf EU-Verordnungen (Verordnung (EG) Nr. 469/2009 für Arzneimittel bzw. Verordnung (EG) Nr. 1610/96 für Pflanzenschutzmittel), die mit dem Austritt aus der EU ihre Wirkung für Großbritannien verlieren.
Im Gegensatz zu den anderen drei Schutzrechten existiert hier jedoch kein paralleles nationales Recht in Großbritannien; SPCs können ausschließlich auf Basis des EU-Rechts erlangt werden.
Nicht zuletzt aufgrund der enormen Bedeutung der SPCs für britische Pharmaunternehmen und der Bedeutung von Großbritannien als Pharma-Markt, ist davon auszugehen, dass vom britischen Gesetzgeber ein entsprechendes nationales Ergänzendes Schutzzertifikat geschaffen werden wird. Die Möglichkeiten zur Überführung der bestehenden Rechte in das eventuelle nationale System wird wohl denen der anderen Unionsrechte entsprechen.
Urheberrecht
Da das Urheberrecht im Wesentlichen im nationalen Recht und über die Berner Übereinkunft (ein internationaler Vertrag) geregelt ist, werden in diesem Bereich keine Änderungen erwartet.
Betriebsgeheimnisse
Da die entsprechenden nationalen Regelungen in Großbritannien über die Mindestanforderungen der EU-Richtlinie hinausgehen, bedarf es keine Anpassung des nationalen Rechts. Entsprechend werden durch den Brexit keine direkten Veränderungen erwartet.
Verträge
Bestehende Individualverträge wie z.B. Lizenzvereinbarungen und Koexistenzvereinanbarungen decken unter Umständen die neue geo-politische Situation nicht ab und müssen entsprechend überprüft und gegebenenfalls überarbeitet werden.
Gleichzeitig kann es sein – je nach Regelung im jeweiligen Vertrag – dass die Umwandlung bestehenden Unionsrechte in britische nationale Rechte zur Entstehung einer Vielzahl (vermeintlich) neuer Schutzrechte führt.
Die zur Umwandlung nötigen Handlungen und die daraus resultierenden Schutzrechte werden regelmäßig nicht Bestandteil geltender Verträge sein und können gegebenenfalls sogar gegen diese verstoßen. Entsprechend sind Verträge, die die Neuanmeldung oder Weiterführung von Schutzrechten regeln gegebenenfalls vor dem Austritt zu überarbeiten, um eventuelle Vertragsstrafen oder ähnliches zu vermeiden.
Durchsetzung
Neben den Schutzrechten als solchen sind auch verschiedene Aspekte der Durchsetzung derselben von EU-Recht bestimmt oder beeinflusst. Hieraus ergeben sich unter Umständen auch für die nicht direkt durch den Brexit beeinflussten Schutzrechte erhebliche Veränderungen.
Von besonderer Bedeutung sind hier die bereits erwähnte Brüssel-I/Ia Verordnung sowie das Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, mit dem entsprechende Regelungen zwischen verschiedenen nicht EU-Mitgliedstaaten und der EU getroffen wurden.
Entsprechend wird durch den Brexit sowohl die Prozessführung, als auch die Durchsetzung ausländischer Urteile erschwert.
Durch die Auflösung der gemeinsamen Außengrenzen und der Zollunion werden auch die Mechanismen der Grenzbeschlagnahmen grundsätzlich verändert.
Die Erschöpfung von Schutzrechten wird auf Großbritannien bzw. auf die EU beschränkt sein.
Indirekte Auswirkungen
- Die Vertretungsberechtigung vor dem Europäischen Amt für Geistiges Eigentum (EUIPO) ist an die Nationalität eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums gekoppelt. Entsprechend hängt eine weitere Vertretungsberechtigung britischer Anwälte vor dem EUIPO nach dem Austritt aus der EU und aus dem Europäischen Wirtschaftsraum von dem Austritts- bzw. den (nachfolgenden) Zusammenarbeitsverhandlungen ab.
- Britische Anmelder werden für die Verfahren vor dem EUIPO einen EU-Inlandsvertreter bestellen müssen.
- Bestimmte Rechtsformen juristischer Personen, wie beispielsweise die „LLP“, sind in Deutschland nur aufgrund von EuGH-Rechtsprechung zulässig. Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU ist deren Zulässigkeit in den verbleibenden EU-Mitgliedstaaten zumindest fraglich.
Zusammenfassung
Der Gewerbliche Rechtschutz in Europa lebt von der Harmonisierung und der engen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, ergibt sich hieraus doch nicht zuletzt die für den freien Handel erforderliche Rechtsicherheit.
Ohne entsprechende Regelungen wird der Brexit den Gewerblichen Rechtschutz in jeder seiner Facetten direkt und/oder indirekt beeinflussen – Verbesserungen sind hierbei nicht zu erwarten.
Der Gewerbliche Rechtschutz mit seinen verschiedenen Rechtsgebieten stellt jedoch nur einen kleinen Aspekt in der komplexen, den Austrittsverhandlungen zugrundeliegenden Gesamtmasse an zu regelnden Punkten dar.
Obwohl gewerbliche Schutzrechte eine wichtige Basis für den Innovationsschutz und somit für die nationale Wirtschaft sind, mögen andere Aspekte während den Austrittsverhandlungen wichtiger erscheinen und wieder andere mögen unter bestimmten Gesichtspunkten attraktiver erscheinen.
So könnte in Anbetracht der erheblichen finanziellen Forderungen der EU – wie von Boris Johnson dem derzeitigen britischen Außenminister, immer wieder betont wird – der „harte“ Brexit für den Moment als attraktive Alternative erscheinen; hierbei wird geflissentlich ignoriert, dass der daraus resultierende Schaden langfristig für alle Parteien wahrscheinlich erheblich höher sein wird. Wie Boris Johnsons jüngerer Bruder Jo Johnson als der für den gewerblichen Rechtschutz zuständige Minister die Austrittsverhandlung diesbezüglich beeinflussen wird, bleibt abzuwarten. Dies gilt auch für die Frage, ob die Idee des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung und die dazugehörende Gerichtsbarkeit, den Brexit überleben wird und ob ein weiterer Schritt zur Harmonisierung des gewerblichen Rechtschutz in Europa nach derart langer Zeit Realität werden wird.